Vom Zwang sich immer zweimal zu bedanken
In der aktuellen Episode „Vom Zwang sich immer zweimal zu bedanken" geht es um die Angst, als Eierbär ohne Manieren dazustehen.
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Vom Zwang sich immer zweimal zu bedanken
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Seitdem ich mich immer doppelt bedanke, halten mich noch mehr Menschen für einen Vollidioten. Aber einen höflichen. Und ich fühle mich einfach besser. In letzter Zeit plagt mich nämlich so eine Unsicherheit. Was, frage ich mich in diesen Momenten der Verzagtheit, die Weltuntergangsstimmung und Selbstzweifel auf derart vortreffliche Weise zu verbinden wissen, wenn mein Gegenüber die auch noch so akkurat vorgetragene Danksagung überhört? Was, wenn neben einem goldbraunen Schnitzelrest auch ein Wortfetzen in der Knabberleiste hängen bleibt, sodass nur ein zur Unkenntlichkeit entstelltes Dankeschön meine spröden Lippen verlässt, oder der Gesprächspartner aus irgendwelchen Gründen, die nicht in meinem Einflussbereich liegen, abgelenkt wird und ich – ohne es zu wissen, geschweige denn zu wollen – als Eierbär ohne Manieren dastehe, der nicht einmal danke sagen kann?
Zugegeben, das klingt jetzt ziemlich neurotisch. Dabei sind Sprachdubletten gar nicht so selten. Stichwort: Grußformeln. Hier gilt die Regel: Ein Grußwort kommt selten allein. „Seavas-Griaß-di“, „Tschau-Pfiat-di“ oder „Tschüss-baba“ sind noch die Anfängervarianten. Könner vollführen sogar Vier- und Fünffachverabschiedungen mit begnadeter Leichtigkeit, die so einen ordinären Dankespleonasten wie mich einfach nur neidisch zurücklässt.
Apropos Pleonasmus. Ha! Jetzt habe ich Sie, liebe Damen und Herren hörerseitig, genau da, wo ich Sie haben wollte. Ein herzliches Servus UND Grüß Gott, wir befinden uns mittendrin im Bildungsprogramm, dessen Gestaltung mir das Wissenschaftsministerium seit kurzem mit einem niedrigen Millionenbetrag versüßt. Eben noch seichte Unterhaltung, jetzt Rhetorik für Anfänger und solche, die was es werden wollen. Das ist Kolumnengalileo auf höchstem Niveau. Merken Sie sich also jedenfalls so ungefähr: Unter Pleonasmus versteht man eine rhetorische Figur, bei der eine bestimmte Bedeutung mehrfach auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht wird. Wie zum Beispiel: kaltes Eis. Verwandte des Pleonasmus’ sind die Tautologie und das Hendiadyoin. Impfstoff wurde leider noch immer keiner gefunden. Bildungsprogramm Ende.
Aber apropos Bildung. Vielen Eltern sind froh um jede Abwechslung, die geeignet ist, sich von den Geldsorgen und Zukunftsängsten abzulenken, die nächtens, wenn die Brut die Akkus für ihr nervenzerrüttendes Tagwerk auflädt, heraufdräuen. In so mancher gepeinigten Mutterseele nagt zum Beispiel die bange Frage, ob es normal ist, dass der zwölfjährige Sohnemann für die Lösung einer handelsüblichen Division mit null Rest eine halbe Dose Red Bull, YouTube-Zugang und einen Motivationstrainer benötigt. Aber keine Sorge, es gibt Entwarnung. Nicht wenige Gehirndoktoren sagen: Ja, ein solches Verhalten bewegt sich vollkommen innerhalb der Norm. Unsere Jugend, die ja wie alle jungen Leute zu jeder Zeit, an jedem Ort im Universum schon einmal von Natur aus sagenhaft deppert ist, wird nämlich richtig gehend debil gemacht von diesem Internet. Mit anderen Worten: trulla trulla.
Hier schließt sich der Kreis. Und ich sage danke für die Aufmerksamkeit.
Danke.
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